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#011 Die Atmosphäre im Jahr 2020

Ein verrücktes Jahr ist zu Ende gegangen. Ein Jahr, in dem wieder mehr CO2 in die Atmosphäre eingebracht wurde. Im Dezember 2019 betrug die mittlere CO2 Konzentration an der hawaiianischen Messstation Mauna Loa  411,76 ppm (parts per million – Teile pro Million Teile), ein Jahr später werden dort 414,02 ppm gemessen.

Ein kleiner Hintergrund zur Graphik: Im Jahr 1957 war es Dave Keeling, der als erster kontinuierliche CO2 Messungen in der Atmosphäre machte. Er wählte den Ort dafür so, dass die Luftmassen dort nicht von äußeren Einflüssen wie Industrie oder Städten beeinflusst waren und somit als global repräsentativ angesehen werden konnten. Aus diesem Grund ist diese Kurve auch als Keeling-Kurve bekannt. Wer Zweifel an der Aussagekraft eines so relativ kurzen Zeitraumes hat, sollte sich folgende Graphik ansehen:

CO2 Konzentration aus dem Vostok Eisbohrkern der letzten 800000 Jahre
©https://www.ncdc.noaa.gov/ Data: Luthi, D., et al.. 2008; Etheridge, D.M., et al. 2010; Vostok ice core data/J.R. Petit et al.; NOAA Mauna Loa CO2 record. Some description adapted from the Scripps CO2 Program website, „Keeling Curve Lessons.“

Natürlich konnten wir vor 800000 Jahren noch keine Messungen durchführen, aber aus Eisbohrkernen kann man ziemlich genau die damals vorherrschende CO2-Konzentration berechnen. 2009 fanden US-Forscher anhand von Einlagerungen in Muschelkalk heraus, dass derartig hohe CO2-Konzentrationen letztmalig vor ca. 15 Millionen Jahren existierten – lange bevor ein Mensch seinen Fuß auf die Erde gesetzt hat. Heute müssen ca. 7 Milliarden damit zurechtkommen.

Auch wenn die CO2-Emissionen durch die Pandemie leicht zurückgegangen sind, so ist die Menschheit noch weit weg von einem klimaneutralen Leben. Um nachhaltig eine Veränderung zu spüren, müssten wir schon in den folgenden Jahren den Ausstoß jedes Jahr um weitere 8 % senken, um dann in ca. 13 Jahren bei null CO2 Emission anzukommen. Würden wir nun augenblicklich aufhören CO2 auszustoßen, wären nach ca. 1000 Jahren noch ungefähr 15-40% in der Atmosphäre (Umweltbundesamt). Sinkende Emissionen führen also weiterhin zu einer Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Eine Badewanne füllt sich eben weiter, auch wenn man den Hahn ein wenig zudreht.

Das deutlichste Signal dieses Klimawandels ist offensichtlich die Erhöhung der Temperatur. Auch das Jahr 2020 war wieder zu warm. Doch wie sieht das konkret aus? Wir wollen uns das genauer für Mainz, Deutschland und die Welt anschauen.

Mainz

[FUSSNOTE: Zu Beginn der lokalen Betrachtung ist zu erwähnen, dass die Zeitreihe an der Messstation der Johannes Gutenberg-Universität nicht lang genug ist, um einen klimatologischen Trend abzuleiten. Jedoch zeigen auch hier die letzten Jahre Anzeichen des Klimawandels]

Das Jahr 2019 an der Messstation des Instituts für Physik der Atmosphäre an der Johannes Gutenberg-Universität lässt sich als zu trocken (428 mm Jahresniederschlag) und zu warm (11.5°C Jahresdurchschnittstemperatur) zusammenfassen. Für 2020 lässt sich festhalten: noch trockener (368 mm (!)) und noch wärmer (11.9°C)! Vor allem das Defizit im Niederschlag ist bedenklich, da es in den Jahren zuvor schon relativ trocken war. Nach einem nassen Jahresbeginn gab es ab Anfang März bis Ende April praktisch keinen nennenswerten Niederschlag – also mitten im Frühling. Auch blieb der Sommer relativ trocken und die Risse im Boden wurden lang und tief. Erst zum Jahresende gab es dann länger anhaltenden „Landregen“.

Niederschlagsmessungen am Institut der Atmosphäre der Universität Mainz, akkumuliert für 2020 und als jährliche Summe von 2009-2020

Der Blick auf die klimatologischen Kenntage zeigt, dass es im Jahr 2020 nur einen einzigen Tag gab, an dem das Thermometer nicht über die 0°C kam – ein sogenannter Eistag. Auch Frosttage, also Tage mit einer Minimumtemperatur unter 0°C gab es im Vergleich zu den Vorjahren eher wenig. Die minimale Temperatur 2020 lag Ende Januar bei -6,5°C – für Eisweinliebhaber war im Jahr 2020 also nichts dabei.

In Bezug auf die maximale Temperatur war das Jahr 2020 in Mainz mit 36,5°C kein Rekordhalter. Die Jahre 2003 und 2019 brachten hier 38.8°C.

Gemessenen Temperatur im Jahresgang (oben), Tagesniederschläge (Mitte) und Auftreten verschiedener klimatologischer Kenntage (unten)

Wie verhält sich das Jahr 2020 nun im Vergleich zur zukünftigen Entwicklung? Bezüglich der mittleren Temperatur und den klimatologischen Kenntage für Eis- und Frosttage war das Jahr 2020 ein Jahr, was in den Klimaprojektionen zur Mitte des Jahrhunderts als durchschnittliches Jahr gelten würde. Für das Szenario mit einem schlechten Klimaschutz (dem sog. „Business as usual“) liegt die durchschnittliche Jahrestemperatur im Jahr 2100 zwischen 12,5°C und 14,5°C. Beim Jahresniederschlag sieht es anders aus. Dort wird eine leichte Erhöhung des Niederschlags bis zum Ende des Jahrhunderts erwartet. Jedoch auch mit der Erwartung, dass dieser höhere Jahresniederschlag mit Starkregenereignissen in Verbindung hängt. Wer mehr zum Klimawandel in Rheinland-Pfalz wissen möchte, dem sei das Klimawandelinformationssystem Rheinland-Pfalz (www.kwis-rlp.de) ans Herz gelegt.

Deutschland und Rheinland-Pfalz

Was für Mainz gilt, ist auch für Deutschland gültig. Laut Messungen des Deutschen Wetterdiensts (DWD) war es mit einer Jahresmitteltemperatur von 10,4°C zu warm und auch mit 710 l/m^2 zu trocken. Seit Beginn der kontinuierlichen Wetteraufzeichnung im Jahre 1881 gab es nur ein Jahr, das wärmer als 2020 war. 2018 konnte eine um 0,1°C höhere Jahresmitteltemperatur ermittelt werden. Das bedeutet, dass 9 der wärmsten 10 Jahre in Deutschland innerhalb des 21. Jahrhundert aufgezeichnet wurde. Die Dekade 2011 bis 2020 war die wärmste seit Messbeginn.

Abhängig davon, welche Referenzperiode gewählt wird, war das Jahr 2020 2,2°C (im Vergleich 1961 – 1990) beziehungsweise 1,5°C (im Vergleich zu 1981- 2010) zu warm.

2020 ist auch das dritte Jahr in Folge, welches zu trocken war.  Außer 2017 waren bereits 9 der letzten 10 Jahre zu trocken. Gleichzeitig mit der Trockenheit lässt sich auch eine Zunahme der Sonnenscheindauer feststellen. So kamen 1901 Sonnenscheinstunden zusammen, 20% mehr als zu erwarten gewesen wäre.

Die Werte für Rheinland-Pfalz gehen in diese Richtung wie für Deutschland – mit 10,9°C zu warm, mit 650 l/m^2 zu trocken und mit 1892 Sonnenscheinstunden sonniger als im Vergleich zum langjährigen Mittel. Die genauen Werte, auch für andere Bundesländer können dem Jahresrückblick des DWD entnommen werden. Link: DWD

Auch seien die Leserinnen und Leser auf folgenden Artikel in der ZEIT verwiesen: Link: Zeit.de

Wir wollen einige Aspekte hervorheben um die Facetten der regionalen Auswirkungen des Klimawandels auf den Naturraum Deutschland nochmal deutlich zu machen.

Aus dem Fernsehen kennen wir die Bilder von brennenden Wäldern in Brandenburg oder die toten Fichtenmonokulturen im Harz. Am Beispiel des letzten Jahres in Rheinland-Pfalz kann man vielleicht verstehen, dass Klimawandel eben nicht nur heiß und trocken bedeutet, sondern auch feucht und kalt. Hier eine kleine Historie der Ereignisse:

Ungewöhnlich hohen Niederschlägen im Februar – Sturm Sabine fegte am 9./10. Februar über das Land und brachte Schadholzmengen von 500000m³ mit sich – folgte eine Trockenperiode von März bis April. Wo der Boden die großen Wassermassen zuerst nicht halten konnte, folgten danach große Trockenschäden der Jungpflanzen im Frühling. Durch Kälteeinbruch im April dann Spätfrostschäden, danach fast durchgehend Trockenheit bis August.  2020, ein weiteres trauriges Rekordjahr mit einer nie erreichten Menge an Borkenkäfern bei Fichten. Zurück bleiben am Jahresende nur ca. 16% aller Bäume im Bundesland die keinen sichtbaren Schaden aufweisen. Mehr dazu hier fafwf.wald-rlp

Im Februar Überschwemmungen entlang des Rheins, im August extreme wirtschaftliche Einbußen für die Binnenschifffahrt aufgrund der niedrigen Wasserstände – viele Schiffe konnten nur die halbe Menge transportieren oder Atomkraftwerke konnten nicht mehr gekühlt werden. Das dritte Trockenjahr in Folge führte dazu, dass bundesweit die Bodenfeuchte ca. 30% unter dem normal zu erwartenden Wert zur Referenz 1961-1990 lag. Im Winter 2019/2020 gab es zum Beispiel in Hamburg keinen einzigen Eistag (Temperatur den ganzen Tag unter 0°C). Mehr dazu (Deutsches Klimakonsortium)

Die Welt

Wir sehen uns einmal an was die World Meteorological Organization (WMO) dazu sagt:

  • 2020 hat sich die Arktis doppelt so schnell erwärmt wie das globale Mittel
  • Obwohl 2020 ein sog. La Nina Jahr war (kühlere Tendenz) war 2020 das drittheißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnung
  • Kalifornien verzeichnete die größten Waldbrände der jüngeren Geschichte. Am Ende der Brandsaison hatte man 9639 Brände gezählt, ca. 4% der ganzen Landesfläche hatten gebrannt
  • Überschwemmungen in Kenia forderten 285 Menschenleben
  • Landwirtschaft in Brasilien verlor ca. 3 Milliarden US Dollar durch Dürre 
  • In Teilen Sibiriens war es 2020 mehr als 5°C wärmer als normal
  • In Penrith, einem Stadtteil von Sydney wurden 48.9°C gemessen
  • Starke Schneefälle in Denver, Colorado in der zweiten Septemberwoche, 3 Tage nachdem eine Rekordtemperatur von 38.3°C gemessen wurde
  • -33.9°C im Norden Montanas am 25. Oktober 2020
  • Hitzewellen gibt es auch im Ozean – zu warmes Wasser beeinträchtigt das Leben im Meer. Tatsächlich waren 2020 ca. 82% der globalen Meeresflächen von mindestens einer solcher Hitzewelle betroffen.
  • Soweit nur ein Ausschnitt, mehr hier WMO

Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) der USA, vergleichbar mit dem Deutschen Wetterdienst, wertete die Temperaturen 2020 aus und kam zu dem Schluss, dass 2020 das zweitwärmste Jahr seit Messbeginn war. Nur um 0,02°C „kälter“ als das bisher wärmste Jahr 2015. Dabei war die Nordhemisphäre noch nie so warm; 1,28°C wärmer als der Durchschnitt des 20. Jahrhunderts.

Die folgende Graphik zeigt dies anhand von Temperturabweichungen sehr deutlich. Gebiete mit roter Farbe dominieren deutlich. Nur Bereiche des Golfstroms, des südlichen indischen Ozeans und der südöstliche Pazifik liegen unterhalb des Durchschnitts, hervorgerufen durch La Niña. Dieses Wetterereignis, das Gegenstück zu El Niño, führt in diesen Gegenden zu einer Abkühlung der Meeresoberflächentemperatur. Ohne La Niña wäre 2020 höchstwahrscheinlich zum wärmsten Jahr gekürt worden.

Globale Temperatur-Extreme (95 Perzentile) im Vergleich zum Mittel des 20.Jahrhunderts
Quelle: https://www.ncei.noaa.gov/news/global-climate-202012  

Auch die vielen dunkelroten Gebiete in Nordeuropa und Russland fallen auf. Hier wurden verbreitet Rekordjahre in der Temperatur vermeldet. Dies ist in Übereinstimmung mit Klimamodellen, die vor allem in den hohen Breiten eine deutlichere Erwärmung prognostizieren. In diesem Zusammenhang wird oft von „Arktischer Verstärkung“ gesprochen. (Bildungsserver)

Doch nicht nur in der Atmosphäre zeigt sich deutlich der Klimawandel. Die Ausdehnung des arktischen Seeeis hatte im vergangenen Jahr die zweitgeringste Ausdehnung im Sommer seit Messbeginn. Auch der Wärmegehalt der Ozeane ist auf Rekordniveau und der Meeresspiegel steigt weiter, während die Gletscher weiter auf dem Rückzug sind. Eine sehenswerte Zusammenstellung (auf Englisch) weiterer Aspekte findet sich hier:

 [State of the climate: 2020 ties as warmest year on record | Carbon Brief](https://www.carbonbrief.org/state-of-the-climate-2020-ties-as-warmest-year-on-record)

Auch das Alphabet hat im Jahr 2020 nicht mehr ausgereicht um alle Atlantischen Wirbelstürme zu benennen…am Ende waren es 31.

Text: Joachim Fallmann, Philipp Reutter
Foto: Philipp Reutter